Kritik an Bundesratsinitiative

Kritik an Bundesratsinitiative zur Schaffung eines “Straftatbestandes Genitalverstümmelung”: Wir brauchen keine Änderungen im Strafrecht, sondern wirksame Rahmenbedingungen für die Strafverfolgung und umfassenden Schutz der Mädchen.

Hamburg, den 16. Dezember 2009. Der Bundesrat wird sich am 18. Dezember erstmals mit dem Vorschlag der Justizminister Hessens und Baden-Württembergs befassen, einen eigenen Straftatbestand „Genitalverstümmelung“ im deutschen Strafrecht zu verankern. Die TaskForce kritisierte die geplanten Änderungen bereits im November, weil sie an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen und bekräftigt nun erneut diese Kritik.

Justizminister Goll würdigt zwar die Expertise der TaskForce, indem er unsere Erkenntnis „Der Staat ist verpflichtet, die gefährdeten Mädchen und Frauen vor diesem schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu schützen“ nun selbst vertritt. Auch stellt er treffend fest:

„Für Genitalverstümmelungen darf es in einer zivilisierten Gesellschaft keinen Millimeter Raum geben.“

Umso weniger verständlich ist daher seine Auffassung, die geplante Änderung des Strafrechts sei zielführend, denn:

- Das Strafrecht kann grundsätzlich keinen Schutz gewähren, sondern lediglich die Repression der TäterInnen ermöglichen.

- Das deutsche Strafrecht bietet zum jetzigen Zeitpunkt völlig ausreichende Möglichkeiten, jene TäterInnen strafrechtlich zu verfolgen, die Genitalverstümmelungen an ihren Töchtern veranlassen und/oder verüben.

- Die bislang ausgebliebene Strafverfolgung ist keineswegs Defiziten oder Unklarheiten im Strafrecht geschuldet, sondern den fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen, die eine Strafverfolgung der Taten erst ermöglichen.

- Insbesondere die ärztliche Schweigepflicht führt zu staatlichem Täterschutz: ÄrztInnen, die Genitalverstümmelungen an minderjährigen Mädchen feststellen, dürfen keine Anzeige erstatten und müssen auch dann keine Meldung an die Behörden geben, wenn Sie Kenntnis von einer bevorstehenden Gefährdung erhalten.

- Die geplante Verfolgbarkeit von Genitalverstümmelungen, die im Ausland begangen werden, bedeutet, dass der deutsche Staat diese Taten weiterhin zulassen und erst danach verfolgen will, anstatt sie – seiner Schutzpflicht entsprechend – im Vorfeld zu verhindern.

-          Das geplante „Ruhen der Verjährungsfrist bis zur Volljährigkeit der Opfer“ ist mit Inkrafttreten des 2. Opferrechtsreformgesetzes am 01. Oktober 2009 bereits sichergestellt worden und bedarf keiner weiteren Regelung.

Die bisherige Konzentration auf das Strafrecht lenkt von den tatsächlichen Hinderungsgründen für die Repression der TäterInnen ab und liefert die Opfer schutzlos den Verstümmelungen aus.

Wir bitten den Bundesrat, von Änderungen im Strafrecht abzusehen und ein Zeichen zu setzen für effektiven Kinderschutz und angemessene Strafverfolgung der TäterInnen.

Wir fordern die Einführung dieser zielführenden Präventionsmaßnahmen:

-          Gesetzliche Meldepflicht (sowohl im Fall bereits verübter als auch bei Kenntnis bevorstehender Genitalverstümmelungen);

-          Untersuchungspflicht, einschließlich regelmäßiger Überprüfung der genitalen Unversehrtheit (entweder nur für die Mädchen der genau bestimmbaren Risikogruppen oder für alle in Deutschland lebenden Kinder bis zum 18. Lebensjahr);

-          Kollektive familienrechtliche Maßnahmen für alle 30.000 bis 50.000 minderjährigen Mädchen der Risikogruppe, um die Verstümmelungen in den Herkunftsländern der Eltern effektiv zu unterbinden (in Anlehnung an einen Beschluss des BGH, XII ZB 166/03).

Presse-Information:
TaskForce für effektive Prävention von Genitalverstümmelung
www.taskforcefgm.de

Ansprechpartnerin:
Simone Schwarz
Vorstand TABU e.V.
Tel.: 0341/3310796
simone.schwarz@verein-tabu.de

www.verein-tabu.de

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